Die HASPA Filiale in Hamburg-Bramfeld

Unglaubliche Vorkommnisse in Zeiten der UN-Konvention oder notwendige Lernprozesse bei der Haspa

Herr W. ist Kunde bei der Hamburger Sparkasse, bei der, wie sie alle in Hamburg nennen, Haspa. Seit über 20 Jahren und fast immer bei der gleichen Filiale in Hamburg-Bramfeld. Letzte Woche kam es zu einem Vorfall, den er selbst so beschreibt:

„Heute (01.08.2012) kam ich mit meiner Assistentin in Ihre Filiale in Hamburg Bramfeld, in der ich seit 20 Jahren ein zuverlässiger Kunde bin.
Aufgrund einer schweren Muskelerkrankung sitze ich im Rollstuhl und habe dazu noch eine Sprachbehinderung, ich bin aber nicht geistig behindert. Durch meine eingeschränkte Motorik fällt es mir sehr schwer Formulare zu unterschreiben, und daher benötige ich Jemanden der mir eine Schreibunterlage hält. Heute unterstützte mich dabei meine Assistentin. Manchmal besuche ich Ihre Filiale auch ohne eine Assistentin, dann benötige ich die Unterstützung von Ihren Angestellten.
Ihre Angestellte Frau E. B. teilte heute, hinter meinem Rücken, meiner Assistentin mit, dass sie es sehr begrüßen würde, wenn ich Ihre Filiale in Zukunft nur noch mit Begleitung aufsuchen würde. Grund dafür ist, dass das Haspa-Personal Hemmungen mir gegenüber besitzt und, so wörtlich, ,,großen Ekel“ bezüglich meiner Behinderung hat, und, dass es für meine Assistentin wahrscheinlich nicht ,,so schlimm“ sei, weil diese sich, „so einen Beruf‘ ausgesucht hätte. Meine Assistentin teilte mir die Beschwerde von Seitens Frau B. mit, und ich suchte daraufhin das Gespräch mit der Dame. Ich versuchte zu erklären, dass eine stetige Präsens einer Assistentin nicht immer möglich ist, und wenn ich mir für kurze Bankbesuche immer eine Begleitung organisieren müsste, wäre ich in meiner Selbstständigkeit erheblich eingeschränkt. Die Angestellte Frau B. bekräftigte daraufhin noch mal, dass das gesamte Personal großen Ekel und Abneigung mir gegenüber empfinde und in einem internen Mitarbeitergespräch zu dem Schluss gekommen sei, mich nicht mehr persönlich zu bedienen, da dies eine zu große Zumutung darstelle. Daraufhin bekam ich eine große Anzahl Blanko-Auszahlungsschecks, die ich in Zukunft zu Hause vorbereiten soll, damit die ,,Belastung“. für das Personal geringer ist.

Ich fühle mich zutiefst gekränkt, beleidigt und diskriminiert! Ich fühle mich zutiefst gekränkt, beleidigt und diskriminiert! Ich habe Ihr Verhalten mir gegenüber bereits mit verschieden Verbänden für körperlich behinderte Menschen in Hamburg besprochen, in denen ich auch zum Vorstand gehöre. Meine betroffenen Kollegen sind ebenfalls entsetzt über Ihr Verhalten. Auch meine angestellten Assistenten halten Ihr Verhalten für ein Armutszeugnis für eine bunte und eigentlich so tolerante Stadt, wie Hamburg.
Ich werde von verschiedenen Seiten dazu gedrängt zur Presse zu gehen, da sich die Haspa mit Ihren diskriminierenden und verabscheuungswürdigen Methoden im Recht sieht. Im Gesprächskreis mit anderen behinderten Menschen waren alle bestürzt darüber, dass die Haspa gezielt Personalsitzungen organisiert, um zu besprechen, wie man anders aussehende Menschen aus der Haspa-Filiale femhält. Das ist eine zutiefst beängstigende Entwicklung! Wir können also nur daraus schließen, dass schwerbehinderte Menschen bei der Haspa als Menschen zweiter Klasse gesehen werden, und als Kunden nicht erwünscht sind, da die Angestellten, die bei Ihnen hinter den Tresen stehen eine andere Auffassung von „Schönheit“ besitzen, und mit Ekel und Abneigung reagieren, wenn jemand nicht so perfekt ist.“

Herr W. und seine Assistentin gingen am Tag darauf beide noch einmal in die Sparkasse und verlangten den Filialleiter zu sprechen. Nach einigem hin und her kam es zu einem Gespräch mit ihm.
Dieses Gespräch machte die Sache aber nur noch schlimmer. Anstatt sich ohne wenn und aber für das Verhalten seiner Mitarbeiterin zu entschuldigen, stellte sich der Filialleiter hinter seine Mitarbeiterin und faselte irgendetwas von der „besonderen Geruchsempfindlichkeit “ seiner Mitarbeiterin.

Daraufhin traf sich Herr W. mit einem Journalisten und einem Fotografen von Hamburger Morgenpost.. Der Journalist teilte die Empörung von Herrn W, er wollte noch die Presseabteilung der Haspa befragen und dann seiner Redaktion vorschlagen, den Beitrag zu bringen. Leider erschien der Artikel in der Hamburger Morgenpost bis heute nicht. Vermutlich ist die Haspa ein zu wichtiger Geschäftspartner und Anzeigenkunde der Mopo, so dass sie sich mit der bisherigen Entschuldigung der Haspa zufriedengibt.
Stattdessen kamen am Tag darauf der Filialleiter und ein für Kundenbeschwerden und Qualitätskontrolle zuständiger Mann aus der Hauptgeschäftsstelle der Haspa völlig unangemeldet und überfallartig zu Herrn W. Erst jetzt entschuldigte sich die Haspa für das unsägliche Verhalten der Mitarbeiter in der Filiale in Bramfeld. Sie überreichten einen Blumenstrauß und nahmen sich die Zeit für ein längeres Gespräch. In diesem Gespräch zeigten die Vertreter der Haspa zum ersten Mal auch ein wenig Verständnis für die Situation und beklagten die ungenügende Ausbildung ihrer MitarbeiterInnen. Der Qualitätsverantwortliche aus der Hauptgeschäftsstelle wollte sofort mit Autonom Leben, dem Verein behinderter Menschen, in dem Herr W. Mitglied ist, Kontakt aufnehmen, um für seine Mitarbeiterinnen Sensibilisierungskurse zu vereinbaren, damit zukünftig ein würdiger Umgang mit behinderten Menschen in den Haspa-Filialen stattfindet.

Herrn W. reichten aber die Entschuldigung und die Bemühungen der Haspa-Vertreter nicht. Daraufhin kamen einen Tag später noch einmal der Filialleiter und die für den ganzen Vorfall verantwortliche Mitarbeiterin zu Herrn W. Diesmal kam der Besuch zumindest angekündigt. Aber auch danach war Herr W. nicht bereit, die Entschuldigung anzunehmen und die Sache auf sich beruhen zu lassen.

Wir finden, Herr W. handelt richtig!
Die Haspa ist in Hamburg weit mehr als eine Sparkasse. Sie ist trotz Finanzkrise und Skandale in der Hamburger Landesbank (HSH-Nordbank) für viele Hamburger und Hamburgerinnen immer noch ein Teil des guten alten Hamburg, Im gesamten Stadtgebiet ist sie mit ihren Filialen oder mit ihrer schicken, nahezu behindertenfreien Werbung präsent. Sie pflegt ihr Image, nicht nur eine schnöde Sparkasse, sondern auch eine soziale Institution mit entsprechendem sozialpolitischen Engagement zu sein, und profitiert davon.

Das Verhalten der Mitarbeiterin der Haspa andererseits war ein so unglaubliches Fehlverhalten und eine so große Beleidigung von Herrn W, dass es mit einem einfachen Blumenstrauß nicht aus der Welt zu schaffen ist. Es war eine Beleidigung und ein klarer Verstoß gegen das Hamburgische Gleichstellungsgesetz! Herr W. hätte also auch die Möglichkeit, auf juristischem Wege eine Wiedergutmachung zu verlangen. Die Haspa muss daher auf jeden Fall Herrn W. auch materiell angemessen entschädigen, um eine solche juristische Auseinandersetzung zu vermeiden.

Das Verhalten der Mitarbeiterin der Haspa war zudem ganz bestimmt kein Einzelfall. Das, was sie in ihrer Unbedarftheit, vermutlich sogar mit guten Absichten ausgesprochen hat, denken viele andere nur. Der Vorfall verdeutlichte drastisch, wie dringend wir in unserer Gesellschaft Inklusion von Anfang an brauchen. Wenn alle vom Kindergarten und Grundschule an die Erfahrung gemacht haben, mit behinderten und andersartigen Menschen zusammen zu lernen und zu leben, dann hat die schöne Scheinwelt, dass mit Geld und der Beratung durch die Haspa alles zu erreichen und zu kaufen ist, weit weniger Chancen sich zu entfalten. Dann kommt vielleicht niemand mehr auf die Idee, behinderte Menschen wegzusperren oder auf anderem Wege aus seinem Blickfeld zu entfernen.

Möglichst schnell muss sich natürlich vieles bei der Ausbildung der Haspa-MitarbeiterInnen ändern. Dabei sind die vom Qualitätsbeauftragten der Haspa angedachten Sensibilisierungskurse sicherlich ein wichtiger und richtiger Schritt! Wir von Autonom Leben sind gerne dazu bereit. Bei der Haspa natürlich nur, wenn der Preis stimmt!

Auch darüber hinaus kann bei der Haspa noch einiges für behinderte Menschen verbessert werden. So hat die Haspa zum Beispiel nur ganz wenige Geldautomaten in Rollstuhlhöhe. Von sprechenden Geldautomaten für blinde Menschen ganz zu schweigen.

Öffentliche Kritik und politischer Druck kann daher nur nützlich sein, damit es tatsächlich zu Veränderungen bei der Haspa kommt.

Aber immerhin, auch das wollen wir nicht verschweigen: die Haspa bietet bereits einen Gebärdendolmetscher für eine besondere Beratung für hörbehinderte Menschen an und durch das gemeinnützige „Lotteriesparen“ erhalten viele soziale Einrichtungen und Vereine finanzielle Unterstützung durch die Haspa:
Genau am gleichen Tag, an dem Herr W. uns von dem Vorfall in der Filiale in Bramfeld erzählte, erhielt Autonom Leben die Ankündigung einer Spende von der Haspa in Höhe von 3000 €, um für seine Beratungsstelle geeignete Möbel anzuschaffen.

Quelle Gerlefs Blog